Autor
Karsten Schulte-Deußen
Anne Glenk
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Karsten Schulte-Deußen: Gianluca, Du hast gerade bei Great Place to Work® Deutschland gestartet. Sind es die gleichen Themen, die deutsche und italienische Unternehmen aktuell bewegen wie bspw. Agilität oder die Digitale Transformation?
Gianluca Reitano: Danke für die Möglichkeit dieses Austauschs. Wie Du gesagt hast, nach fast 6 Jahren bei Great Place to Work® Italien habe ich gerade dieses neue Abenteuer in Deutschland gestartet und natürlich bin ich schon gespannt, was es für Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Kulturen gibt.
Deutsche und italienische Unternehmen erleben im Moment unterschiedliche Entwicklungsphasen, deswegen stehen auch unterschiedlichen Themen im Mittelpunkt – meiner Ansicht nach. Digitalisierung ist zum Beispiel ein wichtiges Thema im Bereich der öffentlichen Verwaltung; viel mehr als beispielsweise in den privaten Unternehmen. Die Analysen von Great Place to Work® Italien aus dem Jahr 2018 haben gezeigt, dass die wichtigsten Themen für die Mitarbeitenden in Italien Work-Life Balance (Smart Working, Flexibilität), Führungsverhalten (besonders in Bezug auf Fairness und Meritocracy) und Women Empowerment sind. Dies wurde nicht nur durch das Ergebnis des Mitarbeiterfragebogens sichtbar, sondern auch durch die Antworten der Mitarbeitenden auf die offenen Fragen, als Kommentare sozusagen. Sowohl die negativen als auch die positiven Kommentare stellen diese Themen im Mittelpunkt.
Karsten Schulte-Deußen: In Deutschland versuchen wir, dass sich Teams selber steuern. Ist das ein Thema in Italien?
Gianluca Reitano:: Momentan noch nicht, allerdings steht Führung und Weiterbildung für Führungskräfte sehr wohl im Mittelpunkt.
Karsten Schulte-Deußen: Inwieweit spielen kulturelle Unterschiede eine Rolle?
Kultur spielt natürlich eine sehr wichtige Rolle. Unternehmenskultur basiert natürlich auf Landeskultur, aber auch auf Regionalkultur. Italien selbst ist ganz unterschiedlich. Ehrlich gesagt sind Nord-, Zentral- und Süditalien schwierig vergleichbar. In Norditalien gibt es viele Arbeitsplätze, besonders in Mailand und der Umgebung. Viele Start-Ups werden hier gegründet, weil die Infrastrukturen allgemein hier besser funktionieren. Aber hier kann die Art und Weise zu arbeiten auch besonders stressig sein, mit vielen Überstunden oder der Forderung nach Arbeit am Wochenende. Hierbei entsteht oft die Gefahr, ein Burn-out zu bekommen oder eine allgemein schlechte Lebensqualität zu erleben. In Süditalien gibt es zwar weniger Stress im Büro, dafür aber auch häufig nur befristete Arbeitsverhältnisse, weniger Karrieremöglichkeiten und generell ist es schwierig, einen sicheren Job zu finden – besonders für junge Leute.
Aber es gibt natürlich Merkmale, die die italienische Unternehmenskultur überall charakterisieren. Ich glaube, dass in Italien weniger Energie für Planung & Organisation verwendet wird. Alles ist sehr flexibel. Deswegen würde ich sagen, dass die Italiener „improvisationsfähiger“ sind. Und die Fähigkeit, mit unvorhergesehenen Situationen umzugehen, fördert Kreativität.
Karsten Schulte-Deußen: Was machen italienische Great Places to Work anders als andere Unternehmen in Italien?
Gianluca Reitano: Das zeigt sich in mehreren Aspekten. Der Unterschied zwischen den von Great Place to Work® ausgezeichneten Arbeitgebern und den durchschnittlichen Arbeitgebern in Italien ist extrem groß (Trust Index: 82% versus 44%).
Karsten Schulte-Deußen: Stichwort La Dolce Vita: Ist das italienische Lebensgefühl fester Bestandteil bei ausgezeichneten Arbeitgebern in Italien? Sollten sich deutsche Unternehmen hiervon eine Scheibe abschneiden?
Gianluca Reitano: Ich möchte Dich nicht enttäuschen, allerdings ist dieses Gefühl heutzutage nicht mehr als ein Klischee und präsenter in Deutschland als in Italien. Es geht bei dem Konzept ja auch um Lebensqualität und Entwicklungsmöglichkeit, nicht nur als Arbeitnehmer, sondern auch als Mensch. Das passiert leider immer weniger oft in Italien.
Aber natürlich gibt es auch viele schöne und positive Beispiele von exzellenten Arbeitgebern, die sich durch ihre eigene, italienische Kultur auszeichnen.
Zum Beispiel Zeta Service (ausgezeichnet sowohl in Italien als auch in Europa). Sie haben eine starke Kultur aufgebaut, bei der besonders die Frauen im Mittelpunkt stehen. Sie engagieren sich zudem bei vielen sozialen Initiativen. Ein anderes Beispiel ist Vetrya. Besonders wichtig, weil die Firma nicht im Norden sitzt! Vetrya ist seit vielen Jahren auf der Besten-Liste Italiens. Sie haben einen super modernen Campus wie Google. Hier werden Innovationsprozesse entwickelt und gefördert: Die Firma unterstützt Start-Ups aus der Region, indem sie den Campus zur Verfügung stellt.
Karsten Schulte-Deußen: Gibt es weitere, besondere (italienische) Werte, wovon auch deutsche Unternehmen profitieren könnten?
Gianluca Reitano: Ich würde sagen, besonders ist die (italienische) Fähigkeit, immer einen Weg durchs Chaos zu finden oder für jedes Problem auf unterschiedlichste Weise eine Lösung zu finden. Ein weiterer, besonderer Wert ist die Resilienzfähigkeit. Auch die hohe Qualität und Exzellenz der Produkte sind wichtige Werte.
Karsten Schulte-Deußen: Wie reagieren italienische Great Places to Work auf die aktuelle, politische Lage? Besonders vor dem Hintergrund, dass sehr gute Arbeitgeber die Bedeutung von Diversity für ihre Unternehmen erkannt haben.
Gianluca Reitano: Sie machen sich Sorgen, die Situation ist chaotisch. Diversity ist für die Unternehmen ein essentieller Wert. Dies steht schon sehr im Widerspruch und behindert vor allem die Unternehmensentwicklung, aber auch Vertrauen und Glaubwürdigkeit der Regierung gegenüber allgemein. Die Beziehung zwischen der Unternehmenswelt, Verwaltung und Politik ist schwierig und oftmals mit vielen Hindernissen verbunden.
Karsten Schulte-Deußen: Ein Blick in die nahe Zukunft: Was sind die wichtigsten Herausforderungen für italienische Unternehmen bei der Entwicklung der Arbeitsplatzkultur?
Gianluca Reitano: Vor allem Fairness und Women Empowerment!
Karsten Schulte-Deußen: Welche Rolle werden Great Place to Work® oder – allgemeiner gesagt – Mitarbeiterorientierung und Vertrauen in diesem Kontext spielen?
Gianluca Reitano: Vertrauen ist die Voraussetzung für jede Kollaboration. Privat wie beruflich. Besonders in schwierigen Zeiten oder wenn es zu negativen Strömungen der Gesellschaft kommt. Italien will ein Vorbild sein, bei dem das Wohl Mitarbeitenden ganz klar im Mittelpunkt steht.
Karsten Schulte-Deußen: Gianluca, vielen Dank für das Teilen deiner spannenden Erfahrungen!
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