Digitalisierung in der Pflege: Wie kann sie zur Verbesserung der Arbeitsplatzkultur führen?

Ärztin sitzt im Kittel und tippt am Laptop

Autor

Julia Maskiera

Bettina Meyer

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Der Pflegenotstand und der eklatante Fachkräftemangel sind gravierende Probleme im Gesundheitswesen. Die Alterung unserer Bevölkerung führt zu einer steigenden Nachfrage nach Pflegeleistungen, während das Angebot an qualifiziertem Personal für die Versorgung bei weitem nicht ausreicht. Dies führt nicht nur zu längeren Wartezeiten für Patient*innen und einer allgemeinen Verschlechterung der Versorgungsqualität, sondern auch zu hohen körperlichen und psychischen Belastungen am Arbeitsplatz von Pflegekräften. Diese sind aufgrund der herausfordernden Arbeitsbedingungen, darunter hohe Arbeitsbelastung und Personalmangel, häufig von Erschöpfung und Burnout betroffen. In der Folge verlassen viele Fachkräfte den Pflegeberuf und Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt. Um dem entgegenzuwirken, sind Maßnahmen wie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, eine angemessene Bezahlung und die Förderung der Aus- und Weiterbildung in der Pflege notwendig.

Manuela Garbrecht aus dem HR-Kultur- und Feelgoodmanagement bei den St. Gereon Seniorendiensten, einer ambulanten und stationären Pflegeeinrichtung mit ca. 450 Mitarbeiter*innen im Kreis Heinsberg, hat mit uns darüber gesprochen, welche große Rolle die zunehmende Digitalisierung in der Pflege hierbei spielen kann. “Wir stellen uns dieser Herausforderung, um Arbeitserleichterungen für unsere Mitarbeiter zu schaffen. Digitalisierung und Robotik bieten Chancen, die Qualität der Pflege zu verbessern, Pflegekräfte zu entlasten und den Herausforderungen einer alternden Bevölkerung und des Fachkräftemangels in der Pflege zu begegnen.”

In diesem Blogartikel finden Sie: 

  • Chancen der zunehmenden Digitalisierung in der Pflege  
  • Einsatzmöglichkeiten und Praktiken digitaler Tools und Strukturen 
  • Wie sie Herausforderungen der Digitalisierung meistern können  

Pflege neu denken - Chancen der zunehmenden Digitalisierung

Aufgrund der beschriebenen Herausforderungen für die Leistungserbringer und die Gesellschaft ist es wichtig, die Chancen der Digitalisierung für die Pflege zu nutzen, um einerseits eine qualifizierte Pflege zu gewährleisten und andererseits die Pflegenden zu unterstützen. „Die Digitalisierung hat das Potenzial, die Pflege effizienter und barrierefreier zu gestalten. Sie kann zur Verschlankung und Komprimierung von Arbeitsprozessen beitragen, was wiederum zur Entlastung der pflegerischen Mitarbeiter*innen führen kann.“ Digitale Strukturen und Prozesse sollen keine Arbeitskräfte ersetzen, sondern die Pflegekräfte bei besonders belastenden oder wiederkehrenden Routinetätigkeiten unterstützen. So wird die Arbeit erleichtert und mehr Zeit für den direkten Kontakt zu den Patient*innen ermöglicht.

Langfristig fallen durch die Verringerung der körperlichen und psychischen Belastungen auch weniger Kolleg*innen krankheitsbedingt aus. Als Beitrag zu einer umfassenden Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege kann die Digitalisierung zudem als Chance gesehen werden, dass sich zukünftig wieder mehr junge Menschen für den Pflegeberuf entscheiden – die unsere Gesellschaft so dringend braucht. „Digitale Medien werden bei Auszubildenden in der Pflege immer beliebter. Das kann die Pflegeausbildung attraktiver machen und so den Personalmangel in der Pflege lindern“, bestätigt uns auch Frau Garbrecht.

Darüber hinaus wirke sich der Einsatz digitaler Lösungen auch positiv auf die Arbeitsplatzkultur aus. So fördert die Digitalisierung laut Garbrecht die Flexibilität und Zusammenarbeit – auch standortübergreifend – durch digitale Kommunikationswege. „Digitale Kommunikation ermöglicht einen schnellen Informationsfluss und eine direktere Kommunikation. Das kann zu einer offeneren Kommunikationskultur führen.“ Dies trage auch zur Inklusion am Arbeitsplatz bei. „Digitale Kommunikationsmittel schaffen den Raum, Mitarbeiter*innen unabhängig vom Standort oder Hintergrund zu integrieren.“ Digitale Schulungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten ermöglichten zudem insbesondere für jüngere Mitarbeiter*innen eine verstärkte Lernkultur bei St. Gereon, so Garbrecht.

Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten in der Praxis

Die Digitalisierung bietet vielfältige Möglichkeiten, die Effizienz der Arbeitsplanung und -abläufe sowie die Qualität und Sicherheit in der Pflege zu verbessern. Frau Garbrecht gab uns Beispiele, wie dies in der Praxis umgesetzt wird.

Dokumentation und Datenzugriff

„Durch die Einführung digitaler Technologien können Versorgungsprozesse optimiert werden.“ Innovationen im Rahmen der Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens wie die elektronische Patientenakte, das elektronische Rezept und Co. vereinfachen beispielsweise den Zugriff auf relevante Gesundheitsdaten. Darüber hinaus werden digitale Dokumentationssysteme bei den ausgezeichneten Arbeitgebern unter anderem für die Verwaltung, Dienstplanung oder Falldokumentation eingesetzt. Praktische Vorteile digitaler Lösungen sind hier zum Beispiel die Verfügbarkeit beim mobilen Arbeiten – etwa bei Hausbesuchen oder aus dem Homeoffice.

Prävention und Früherkennung durch Sensorik

Digitale Technologien wie Sensorik können wichtige Gesundheitsdaten erfassen, die ein frühzeitiges Erkennen von Problemen und eine bessere Prävention ermöglichen. „Sensoren können in Pflegeeinrichtungen und zu Hause eingesetzt werden, um Stürze zu erkennen, die Schlafqualität zu überwachen und die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten. Sensormatten werden bei uns auch in stationären Einrichtungen eingesetzt und entlasten unser Pflegepersonal. Gerade in der Nacht müssen sie etwa 25 Prozent weniger laufen.“

Plattformen für Lernen und interne Kommunikation

„Mit der Integration von digitalen Technologien und Robotik in die Pflege ist die Schulung der Pflegekräfte entscheidend, damit sie effizient und sicher mit den neuen Hilfsmitteln arbeiten können. Zu diesem Zweck bieten digitale Plattformen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Pflegekräfte. So können sie ihre Fähigkeiten aktualisieren und mit den neuesten Entwicklungen in der Pflegepraxis Schritt halten“. Interne Kommunikationsplattformen förderten zudem die Kommunikation und Zusammenarbeit im Pflegebereich, z.B. durch eine Mitarbeiter*innen-App.

Telemedizin und Telepflege

Digitale Technologien ermöglichen die Fernüberwachung von Patienten und die Telekommunikation mit medizinischem Fachpersonal. „So können beispielsweise Patienten in entlegenen Gebieten betreut und Gesundheitsparameter wie Blutdruck, Blutzucker und Herzfrequenz überwacht werden.“

Robotische Pflegehelfer

Was nach Zukunft klingt, ist im St. Gereon schon heute fester Bestandteil des Arbeitsalltags. „Wir setzen in einigen Bereichen bereits Wisch- und Saugroboter ein, um dem Personalmangel in diesem Bereich entgegenzuwirken. Wir setzen fahrbare Roboter ein, damit unsere Mitarbeiter*innen im Bistro das Geschirr nicht selbst in die Spülküche fahren müssen. Außerdem haben wir einen kleinen Roboter namens Temi, der kognitiv eingeschränkte Bewohner*innen gerne unterhält und ihnen ihre Lieblingsmusik vorspielt. Soziale Interaktionen können also auch unterstützt werden.“

Den besonderen Herausforderungen der Digitalisierung in der Pflege begegnen

Wie jede Veränderung geht auch die Digitalisierung der Arbeitswelt mit Unsicherheitspotenzial und strukturellen Problemen bei der Umsetzung einher. Eine transparente Kommunikation und der Kontakt zu den Mitarbeiter*innen spielen beim Thema Digitalisierung daher eine wichtige Rolle. Für den Gesundheits- und Pflegebereich ergeben sich zudem spezifische Herausforderungen, die für eine erfolgreiche Umsetzung von Digitalisierungsprojekten berücksichtigt werden müssen. Neben Fragen der Machbarkeit und Effizienz stellen sich insbesondere durch die Arbeit mit Menschen auch viele ethische Fragen.

Ängste von Mitarbeiter*innen und Pflegebedürftigen ernst nehmen und abbauen.

Frau Garbrecht zeigt auf, dass gerade in der Altenpflege die Hemmschwelle zur Digitalisierung noch sehr hoch ist. “Das liegt an der Skepsis auf Seiten der Pflegenden und der zu Pflegenden. Manche Pflegende befürchten, dass Pflegeroboter eines Tages ihre Arbeit übernehmen könnten. Auf der anderen Seite haben manche Pflegebedürftige Angst, später keine oder weniger menschliche Zuwendung zu erhalten. Diese Skepsis gilt es abzubauen.” Um das zu erreichen, müsse den Sorgen und Bedenken Raum und Gehör gegeben werden. „Nach wie vor stehen gerade die länger im Beruf tätigen Mitarbeiter*innen der Digitalisierung sehr skeptisch gegenüber. Hier gilt es, Überzeugungsarbeit zu leisten, Ängste zu nehmen und Vertrauen zu schaffen. Es muss deutlich werden, dass die Digitalisierung letztlich eine Entlastung bedeutet.“ Mit Blick auf ethische Bedenken beim Einsatz digitaler Technologien im sensiblen Pflegebereich hat St. Gereon deshalb auch einen Ethikrat gegründet. Dieser beschäftigt sich beispielsweise mit Fragen des Datenschutzes oder der Privatsphäre.

Digitalisierung braucht Zeit: Wissen nachhaltig vermitteln

St. Gereon sieht in der Schulung des Pflegepersonals ein entscheidendes Element für die Integration digitaler Technologien und Robotik. Diese stellt sicher, dass die Mitarbeiter*innen effektiv und sicher mit diesen neuen Werkzeugen arbeiten können. Wie aber kann eine umfassende und nachhaltige Schulung der Mitarbeiter*innen im Rahmen des fordernden Pflegealltags überhaupt gewährleistet werden? „Bei der Einführung neuer digitaler Systeme sollte immer bedacht werden, dass diese viel Zeit für Schulungen und Anpassungen benötigen. In der Anfangsphase kann dies für die Mitarbeiter*innen zusätzlichen Arbeitsaufwand bedeuten. Es ist wichtig, die Mitarbeiter*innen in der Pflege aktiv in den Digitalisierungsprozess einzubeziehen, ihre Bedenken zu berücksichtigen und Schulungen bereitzustellen, um sicherzustellen, dass sie die Vorteile der Digitalisierung erkennen und voll ausschöpfen können.  […] Der erfolgreiche Einsatz digitaler Technologien erfordert eine ganzheitliche Strategie.“

Die Schulungen werden bewusst in kleinen Gruppen durchgeführt. Jüngere Mitarbeiter*innen sind der Digitalisierung gegenüber in der Regel offener eingestellt. Um alle Mitarbeiter*innen abzuholen, werden daher beispielsweise kreative Lösungen wie Tandems zwischen jüngeren und erfahreneren Mitarbeiter*innen gebildet – laut Frau Garbrecht eine „Win-Win-Situation: Die Jungen profitieren vom Erfahrungsschatz der älteren Kolleg*innen und die Älteren profitieren vom Wissen der Jüngeren“.

Fazit: Digitalisierung hat großes Potenzial für die Attraktivität des Pflegeberufs - wenn sie gut umgesetzt wird.

Die Digitalisierung in der Pflege ist eine große Chance für alle Beteiligten. Die im Beitrag genannten Beispiele zeigen, wie vielfältig die Anwendungsbereiche in der Pflege bereits sind. Trotz möglicher Hürden und Kostenpunkte lohnt es sich für Arbeitgeber in der Pflege, Kapazitäten in den Auf- oder Ausbau einer Digitalisierungsstrategie zu investieren. Unter Einbezug der Mitarbeiter*innen kann so langfristig ein gesundes und gleichzeitig effizientes Arbeitsumfeld entstehen und neue Fachkräfte gewonnen werden.

Als mehrfach von Great Place to Work® ausgezeichneter Arbeitgeber sind die St. Gereon Seniorendienste auch im Bereich der digitalen Transformation ein Vorbild in der Pflegebranche. Manuela Garbrecht fasst zusammen: „Digitalisierung und Robotik haben das Potenzial, die Pflege zu verbessern, insbesondere in Situationen, in denen die Ressourcen knapp und die Bedürfnisse der Patienten komplex sind. Gleichzeitig ist es wichtig sicherzustellen, dass die menschliche Interaktion und die Pflegeethik in diesem digitalisierten Umfeld erhalten bleiben”. Wir bedanken uns für die Expertise und die spannenden Einblicke!

 

Die St. Gereon Seniorendienste gGmbH ist ein umfassender Pflegedienstleister im Kreis Heinsberg. Das Unternehmen gehört zum Caritasverband und ist in den Bereichen stationäre Pflege, betreutes Wohnen, Tagespflege, ambulante Pflege sowie Pflegeberatung tätig. Die St. Gereon Seniorendienste wurden bereits 15 Mal als Deutschlands Beste Arbeitgeber und Beste Arbeitgeber im Gesundheitswesen ausgezeichnet. Sie belegten mehrfach den ersten Platz in ihrer Größenklasse und im Jahr 2020 den zweiten Platz unter den besten Arbeitgebern Europas.

Quellen

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