Frauen in Führungspositionen – Wie Unternehmen Perspektiven für weibliche Leader schaffen

Frau im Anzug im Meetingraum

Autor

Paula Laubenstein

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Laut einer Erhebung der europäischen Statistikbehörden sind fast die Hälfte der Beschäftigten in der EU Frauen (46%, Daten für 2022). In den Führungsetagen sieht das Bild jedoch anders aus: In der EU ist etwa jede dritte Führungskraft eine Frau (35 Prozent), in Deutschland sind es sogar nur 29 Prozent. In den DAX bzw. MDAX und SDAX -Unternehmen ist nicht einmal jeder vierte bzw. fünfte Vorstandsposten mit einer Frau besetzt (hier gibt es mehr Männer mit dem Namen Thomas als Frauen). Die Bedingungen für Frauen in Führungspositionen sind also verbesserungswürdig – Grund genug, anhand der Daten aus den Great Place to Work® Mitarbeiterbefragungen genauer zu untersuchen, wie Frauen in Führungspositionen ihre Arbeitsbedingungen wahrnehmen.

Es gibt eine Gender-Kultur-Gap

Um mögliche Unterschiede in der Bewertung der Arbeitsplatzkultur zwischen weiblichen und männlichen Führungskräften zu identifizieren, können wir auf repräsentative Daten der Great Place to Work® Befragungen der letzten fünf Jahre zurückgreifen (insgesamt 320.000 Teilnehmer, Frauen = ca. 132.000, Männer = ca. 157.000). Betrachtet man die durchschnittliche Zustimmung zu den Merkmalen einer exzellenten Unternehmenskultur im Sinne des Great Place to Work® Modells, gemessen am Trust Index©, wird deutlich, dass es durchaus Unterschiede zwischen den Geschlechtern und den Hierarchieebenen gibt. Im Durchschnitt bewerten Frauen die Arbeitsplatzkultur mit einem Trust Index© von 69%, während Männer um 4 Prozentpunkte besser abschneiden. Betrachtet man speziell die  ausgezeichneten Arbeitgeber, so sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern marginal (Trust Index© der Frauen 81% und der Männer 82%). Von diesen Unternehmen kann also gelernt werden, wie ein exzellenter Arbeitsplatz für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschaffen werden kann.

Insbesondere verändert sich die Einschätzung der Arbeitsplatzkultur mit der beruflichen Position innerhalb eines Unternehmens. Für das obere Management kann ein Trust Index© von 90% gemessen werden, dieser Wert liegt deutlich über den 73% für das untere Management. Das bedeutet: Je höher die Führungsverantwortung, desto höher die Zufriedenheit mit der Unternehmenskultur.

Im weiteren Verlauf rücken die weiblichen Führungskräfte in den Fokus, um herauskristallisieren zu können, bei welchen Themen besondere Baustellen identifiziert werden können. So können Stellschrauben identifiziert werden, an denen Arbeitgeber drehen können, um Frauen in Führungspositionen zu halten, sie langfristig an das Unternehmen zu binden und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihr Potenzial voll auszuschöpfen.

Skala über die Führungspositionen von Männer und Frauen

Abbildung 1: Durchschnittliche Bewertung des Trust Index©

Es lohnt sich, in weibliche Führungskräfte zu investieren

Es gibt viele Gründe, warum es sich lohnt, in weibliche Führungskräfte zu investieren. Hervorzuheben ist, dass die Förderung weiblicher Führungskräfte nicht nur aus ethischen Gründen erfolgen sollte, sondern auch als strategische Entscheidung, die sich langfristig positiv auf den Unternehmenserfolg auswirken kann. An erster Stelle ist der Beitrag zu Diversity und Inclusion zu nennen. Die Stärkung von Frauen in Führungspositionen fördert den Einbezug unterschiedlicher Perspektiven und Erfahrungen im Unternehmen und kann so kreativere Lösungsansätze hervorbringen und die Innovationskraft Ihres Unternehmens stärken. Vielfältig zusammengesetzte Teams sind in der Lage, Probleme effektiver zu lösen und ein breiteres Spektrum von Kundenbedürfnissen zu verstehen. Frauen sind in vielen Branchen eine wichtige Zielgruppe. Wenn Frauen in Führungspositionen vertreten sind, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Unternehmen ihre Bedürfnisse besser versteht und somit zielgruppengerechtere Produkte und Dienstleistungen entwickelt.

Auch aus Sicht der Personalrekrutierung ist es sinnvoll, auf weibliche Führungskräfte zu setzen. Wenn Frauen in Führungspositionen erfolgreich sind, dient dies als Vorbild für andere Frauen und ermutigt sie, Führungspositionen anzustreben. Dies erweitert den Talentpool und trägt dazu bei, aus einem breiteren Spektrum an hochqualifizierten Fachkräften auswählen zu können. Darüber hinaus wirkt sich ein hoher Anteil von Frauen in Führungspositionen positiv auf die Reputation Ihres Unternehmens aus. Unternehmen, die sich für die Gleichstellung der Geschlechter und die Förderung von Frauen in Führungspositionen einsetzen, können ihren Ruf verbessern. Dies wird nicht nur von potenziellen Kundinnen und Kunden, sondern auch von Investoren und Mitarbeitenden geschätzt. Schließlich ist die Förderung der Geschlechtergleichstellung nicht nur ökonomisch sinnvoll, sondern auch eine Frage der ethischen und sozialen Verantwortung. Sie sollte das Ziel aller Unternehmen sein.

Die Gender-Kultur-Gap zeigt sich auch unter Führungskräften

Der Great Place to Work® Trust Index© umfasst insgesamt 60 Items, die zusammen die verschiedenen Aspekte einer vertrauensvollen Arbeitsplatzkultur in einem Unternehmen abbilden. Betrachtet man die unterschiedlichen Bewertungen von weiblichen und männlichen Führungskräften im Detail, so fällt auf, dass nur eine der 60 Aussagen von den weiblichen Führungskräften (über alle Ebenen hinweg) positiver bewertet wird als von ihren männlichen Kollegen. „Bei uns werden besondere Anlässe gefeiert“ erreicht tatsächlich eine um ca. 3-4% höhere Zustimmung bei den Frauen aller Hierarchieebenen im Unternehmen. Bei allen anderen Themen sind die weiblichen Führungskräfte kritischer als ihre männlichen Kollegen in vergleichbaren Positionen. Die Gründe für diese unterschiedlichen Einschätzungen sind vielfältig und lassen sich auf Basis unserer Daten nicht eindeutig identifizieren, dennoch möchten wir Ihnen an dieser Stelle einige Denkanstöße geben:

  • Fällt es Frauen leichter, Kritik zu äußern?
  • Haben sie höhere Ansprüche an die Vertrauenskultur?
  • Reflektieren sie intensiver und fallen ihnen deshalb Missstände eher auf?
  • Werden Sie auch im Jahr 2024 noch nicht gleichberechtigt behandelt?
  • Haben Sie andere Bedürfnisse als männliche Führungskräfte, die bisher nicht berücksichtigt werden?
  • Sind Führungspositionen (noch) nicht auf die Wünsche und Belange von Frauen zugeschnitten?

Die Unterschiede in der Bewertung der Arbeitsplatzkultur werden im Laufe der Karriereleiter nicht unbedingt geringer. Erst wenn Frauen im Top-Management angekommen sind, scheinen gleiche Bedingungen für alle zu herrschen bzw. alle haben die gleichen Möglichkeiten unabhängig vom Geschlecht. Werden nun die Befragungsdaten der letzten fünf Jahre der Führungskräfte nebeneinandergehalten, springen ausgewählte Statements ins Auge, bei denen die Diskrepanz in der Bewertung zwischen den weiblichen und männlichen Mitarbeitenden in Führungspositionen besonders stark ausgeprägt ist. In der untenstehenden Tabelle sind diese Statements aufgeführt und von der größten bis zur kleinsten Differenz bei den mittleren Führungskräften sortiert.

Statement Untere Führungskräfte Mittlere Führungskräfte Obere Führungskräfte
Kann bei Bedarf Zeit frei nehmen

-10%

-5%

-3%

Psychische & emotionale Gesundheit ist gewahrt

-6%

-6%

-6%

MA werden angemessen bezahlt

-6%

-5%

-3%

Fairness unabhängig von Geschlecht

-6%

-7%

-2%

Jede*r hat Chance auf besondere Anerkennung

-5%

-4%

-4%

FK vermeiden Bevorzugung einzelner MA

-5%

-4%

-3%

Gerechte Beförderungen

-4%

-6%

-6%

FK halten Versprechen ein

-4%

-4%

-5%

Obere FK leben beste Eigenschaften vor

-4%

-4%

-4%

Tabelle 1: Differenz in der Bewertung zwischen männlichen und weiblichen Führungskräften

Am geringsten sind die Unterschiede zwischen Männern und Frauen über die Führungsebenen hinweg bei Statements zum Verhalten anderer und höher gestellter Führungskräfte. Hier bewerten die Frauen aus den Unternehmen ca. 4 Prozentpunkte schlechter als Männer in den gleichen Positionen. Insbesondere jüngeren Kolleginnen fehlen häufig weibliche Vorbilder in Führungspositionen, an den sie sich orientieren und von denen sie lernen können. Während bei den männlichen Führungskräften in der Spitze Zustimmungswerte von über 90% erzielt werden, lässt sich bei den weiblichen Führungskräften im Schnitt maximal eine Zustimmung von 88%, beispielsweise bei „FK halten Versprechen ein“, messen. Diese Einschätzung der Führungskultur kann auch auf einen Mangel an Unterstützung und Orientierung für weibliche Führungskräfte zurückzuführen sein. Für Frauen kann es schwieriger sein, weibliche Mentoren zu finden und Netzwerke im Unternehmen aufzubauen, was die berufliche Entwicklung entscheidend negativ beeinflussen kann.

Auch das Thema Gesundheit sollten sich Arbeitgeber ansehen, wenn es darum geht die Arbeitsatmosphäre für Frauen im unteren und mittleren Management zu verbessern. Weibliche Führungskräfte sehen ihre Gesundheit nur zwischen 60 und 70% gewahrt, während Männer diesem Statement im Schnitt zwischen 65 und 75% zu stimmen. Zusätzlich haben Frauen weniger das Gefühl sich frei nehmen zu können, wenn sie es benötigen. Die Erwartungen an Frauen in Führungspositionen können dazu führen, dass sie sich mit dem Dilemma zwischen beruflichem Erfolg und persönlichem Leben auseinandersetzen müssen. Insbesondere weibliche Führungskräfte der unteren Ebene brauchen flexible Arbeitszeitmodelle, da dies meist jüngeren Frauen sind, die stark in die Betreuung der Kinder eingebunden sind und dennoch beruflich Verantwortung übernehmen. Sie stehen vor der Herausforderung, Arbeit und familiäre Verpflichtungen in Einklang zu bringen.

Spannend ist, dass besonders die Frauen in höheren Führungspositionen eher weniger das Gefühl haben, dass es innerhalb des eigenen Unternehmens gerechte Beförderungen gibt. In ihrer Einschätzung bewerten sie 6% schlechter als ihre männlichen Kollegen auf der gleichen Führungsebene. In Branchen, in denen Männer stark vertreten sind, können Frauen Schwierigkeiten haben, akzeptiert und respektiert zu werden und haben in der Folge auch schlechter Aufstiegsmöglichkeiten. Zudem kämpfen sie mit Vorurteilen, Skepsis und dem Druck, sich in einer oft männerdominierten Umgebung zu behaupten. Ähnlich sieht es bei der Bewertung der „Chance auf besondere Anerkennung“ aus, weibliche Führungskräfte stimmen hier weniger stark zu. Ein Grund hierfür können geschlechtsspezifische Stereotypen sein, die an traditionelle Geschlechterrollen gebunden sind. Was zur Folge haben kann, dass die Führungsqualitäten von Frauen in Frage gestellt werden. Frauen werden möglicherweise nicht in dem Maße gesehen oder anerkannt wie ihre männlichen Kollegen. Dies kann ihre berufliche Entwicklung behindern und ihnen weniger Chancen für Beförderungen und wichtige Projekte bieten. Weitere Statements die der Dimension „Fairness am Arbeitsplatz“ zugeordnet werden können, sind die Bezahlung und die Gleichbehandlung der Geschlechter. Auch hier stimmen die Frauen in Führungspositionen im Schnitt 6 Prozentpunkte weniger zu als die Männer in den Unternehmen. Mitarbeiterinnen fühlen sich weniger wertgeschätzt, dies drückt sich dann vor allem im Erhalten von Lob und Anerkennung, Beförderungen und auch dem Gehalt aus, das Stichwort lautet hier Gender Pay Gap. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen an dieser Stelle deutlich, dass die weiblichen Führungskräfte die unterschiedliche Bezahlung bei gleicher Arbeit wahrnehmen und dieses Gefühl auch in der Bewertung des Statements zum Ausdruck bringen. Diese Diskrepanz drückt sich aus Sicht der weiblichen Führungskräfte dann als generelle Ungleichbehandlung der Männer und Frauen im Unternehmen aus. Es lohnt sich also im eigenen Unternehmen nochmal verstärkt auf die Chancengleichheit und Gerechtigkeit bei Personalentscheidungen und auch im Arbeitsalltag zu schauen und hier möglicherweise nachzubessern, damit auch die Frauen in den Führungspositionen und auch unternehmensweit ins Boot geholt werden können. Schließlich soll ein Great Place to Work allen Mitarbeitenden ein bestmögliches Arbeitsumfeld bieten.

Maßnahmen erfolgreicher Arbeitgeber

Wie können Sie als Unternehmen dieser Herausforderung begegnen und proaktiv daran arbeiten, geschlechtsspezifische Barrieren abzubauen und eine inklusive Arbeitsumgebung zu schaffen, in der Frauen ihre Führungsfähigkeiten bestmöglich entfalten können?  Sehr gute Arbeitgeber haben bereits heute diese gezielten Maßnahmen zur Förderung von Vielfalt und Gleichstellung umgesetzt:

  • Gerechtigkeit und Chancengleichheit durch Transparenz, Wissen und Sensibilität schaffen
    • Karrieremodelle klar definieren und transparent machen
    • Kennzahlen erfassen, um Gender Pay Gap zu identifizieren
    • Equal Pay durch transparente und klar ausdifferenzierte Gehaltsstufen/-bänder und Tätigkeitsbeschreibungen
    • genutzte Weiterbildungen, Beförderungen etc. auch mit Blick auf soziodemografischen Gruppen analysieren und gezielt benachteiligte Gruppen fördern (z.B. Frauen-Netzwerk)
    • Chancengleichheit im Recruiting
    • Zufriedenheit durch Gesundes Führen und ausgeglichene Work-Life Balance erhöhen
      • Schulungen zum Thema Gesund Führen
      • besondere Herausforderungen von Frauen in Führungspositionen anerkennen und berücksichtigen
      • flexible Arbeitsmodelle auch in Führungspositionen bspw. Homeoffice, Teilzeit Optionen und/oder Führungs-Tandems
      • fachliche und personelle Führung getrennt voneinander ermöglichen und so Stärken und Schwächen von Führungskräften besser ausspielen
The Future is DIVERSITY

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