Autor
Dr. Karsten Schulte-Deußen
Dr. Alexander Häfner
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Schulte-Deußen: Herr Häfner Sie befassen sich in Ihrem neuen Buch „Fluktuationsmanagement. Ungewollte Kündigungen vermeiden.“ mit dem Thema Fluktuationsmanagement. Was hat Sie als sehr erfahrener Personalmanager motiviert, sich gerade mit diesem Thema so intensiv zu befassen?
Häfner: Auch wenn wir als Personalmanager bereits seit vielen, vielen Jahren vom Fachkräftemangel sprechen, bin ich davon überzeugt, dass wir erst am Anfang stehen und die richtigen Engpässe erst noch vor uns liegen. Der Kampf um gute Köpfe wird aus meiner Sicht in den kommenden 10 Jahren nochmal heftiger geführt werden, als in den letzten 10 Jahren.
Für Unternehmen heißt das, dass Fach- und Führungskräfte mühsam gewonnen werden müssen. Sind sie erstmal im Unternehmen, dann sollten sie auch möglichst lange für das Unternehmen begeistert werden. Investitionen in das Arbeitgebermarketing sind wichtig. Genauso wichtig ist, dass der Inhalt dann auch der Verpackung entspricht. Enttäuschte Erwartungen sind ein wichtiger Fluktuationstreiber. Ein neuer Arbeitgeber ist oft nur einen Klick weit entfernt. Bei diesen Rahmenbedingungen können sich Unternehmen keine hohen Fluktuationsquoten (mehr) leisten. Die Bindung von Mitarbeitenden wird zu einer der wichtigsten Managementaufgaben.
Schulte-Deußen: Wo sollen aus Ihrer Sicht Unternehmen vor allem ansetzen, um unerwünschte Fluktuation zu reduzieren. Gemeinhin heißt es ja „People join organizations and leave their managers.“ Wie viel ist dran an dieser Aussage?
Häfner: Führungskräfte spielen ohne Frage eine wichtige Rolle, beispielsweise wenn es darum geht bei drohender Fluktuation Bindungsgespräche professionell zu führen. Schlechtes Führungsverhalten ist ein erwiesener Einflussfaktor auf Fluktuation (z.B. abwertendes, destruktives Führungsverhalten). Oft gibt es sehr spezifische Auslöser für eine Kündigung. Bei solchen Auslösern können Führungskräfte eine Rolle spielen, wenn sich zum Beispiel ein Teammitglied bei einer wichtigen Entscheidung unfair behandelt fühlt, weil die Führungskraft die Beweggründe ihrer Entscheidung nicht hinreichend transparent gemacht hat.
Allerdings trifft die Aussage nur einen kleinen Teil der Wahrheit. Es gibt viele, weitere Einflussfaktoren, auf die die direkten Führungskräfte nur einen sehr geringen oder gar keinen Einfluss haben (z.B. das Alter von Beschäftigten und die Anzahl an Kindern). Wenn ein Unternehmen vor allem auf kinderlose, junge Leute setzt, so ist eine erhöhte Fluktuation wahrscheinlich. Mit Blick auf die Fluktuationsforschung wäre es klüger, gerade auch auf ältere Bewerberinnen und Bewerber mit Familien zu setzen.
Zu den wichtigen Faktoren zählen auch Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten. Da haben Führungskräfte einen gewissen Einfluss, aber auch Restriktionen zu beachten.
Unternehmen können einiges für Mitarbeiterbindung tun. Da gehört vor allem dazu, auf eine gute Passung zwischen den Mitarbeitenden und dem Unternehmen zu achten. Da kann schon im Auswahlprozess viel richtig, aber auch viel falsch gemacht werden. In der Phase der Einarbeitung kann viel für die Bindung getan werden, zum Beispiel durch die gezielte Förderung von Freundschafts- und Ratgebernetzwerken. Auch wenn es um Fairness, Partizipationsmöglichkeiten, Wertschätzung und am anderen Ende um politische Spiele oder gar Machtmissbrauch geht, können Verantwortliche in Unternehmen mit den richtigen Werten und Instrumenten viel für die Mitarbeiterbindung tun.
Auch wenn das vielleicht komisch klingen mag: Eine sehr relevante Frage ist auch, was Unternehmen zur allgemeinen Lebenszufriedenheit ihrer Beschäftigten beitragen. Wer sich beruflich und (!) privat wohlfühlt, neigt deutlich weniger zu einer Kündigung.
Schulte-Deußen: Gibt es so etwas wie „gute Fluktuation“ nach dem Motto: „Reisende kann man nicht aufhalten“ oder sollte man Fluktuation möglichst auf Null reduzieren?
Häfner: Die Aussage kommt aus meiner Sicht von gekränkten und ratlosen Führungskräften, die sich durch eine Kündigung persönlich angegriffen fühlen und nicht wissen, wie sie mit dem Thema umgehen sollen. Das will ich den Führungskräften gar nicht zum Vorwurf machen, weil das, nach meiner Einschätzung, oft in der Aus- und Weiterbildung von Führungskräften kein Thema ist.
In gewissen Kontexten ist Fluktuation erwünscht. Denken wir zum Beispiel an wissenschaftliche Karrieren, die davon geprägt sind im Laufe der Jahre verschiedene Forschungsgruppen und Labore kennenzulernen. Von diesen vielfältigen Erfahrungen können Arbeitgeber profitieren. Auch wenn die Passung deutlich abgenommen hat, kann eine Fluktuation für beide Seiten sinnvoll sein. Ich denke da an das konkrete Beispiel einer Kollegin im Team, die für sich festgestellt hat, lieber mit Kindern im sozialen Bereich arbeiten zu wollen. Oder ein Mitarbeiter entscheidet sich dafür, den Betrieb seiner Eltern zu übernehmen. Solche unvermeidbaren Fluktuationen gibt es. Davon abgesehen ist der wesentliche Teil der Fluktuationen grundsätzlich vermeidbar und ich empfehle sehr, bei Fluktuationsabsichten von Leistungsträgern intensive Bindungsgespräche zu führen.
Schulte-Deußen: Ihr Buch enthält zahlreiche Fallbeispiele aus unterschiedlichen Branchen und anderem auch von Great Place to Work® Deutschland. Welche Fallbeispiele haben Sie besonders beeindruckt?
Häfner: In jedem Fallbeispiel greifen wir einen anderen Ansatz zur Vermeidung von Fluktuationen heraus. Bei Great Place to Work® finde ich vor allem das Streben nach einer optimalen Passung zwischen den Unternehmenswerten und den Erwartungen bzw. der Persönlichkeit des jeweiligen Mitarbeitenden bemerkenswert. Es wird viel dafür getan, dass sich Mitarbeitende in ihrer gesamten Persönlichkeit, die weit über berufliches hinaus geht, entfalten können. Hier beobachte ich eine hohe Offenheit seitens des Unternehmens, die zu sehr kreativen Lösungen führen kann. Insbesondere die vielen Entwicklungsgespräche und den „Chancen-Joker“ möchte ich hier hervorheben. Bei Letzterem handelt es sich um eine Karte, die die Mitarbeitenden jährlich „ziehen“ können, um neue Erfahrungen zu sammeln und ihren Horizont zu erweitern. Ich kann andere Unternehmen nur ermutigen, diesem Beispiel zu folgen.
Schulte-Deußen: Vielen Dank für das Interview.
Dr. Karsten Schulte-Deußen hat Psychologie und Wirtschaftspsychologie studiert. Er arbeitet seit über 11 Jahren als Bereichsleiter Befragungen und Berichte bei Great Place to Work® Deutschland in Köln.
Alexander Häfner: Dr. Alexander Häfner ist seit 2012 Leiter Personalentwicklung bei der Würth Industrie Service und Mitglied im Vorstand der Sektion Wirtschaftspsychologie des Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V.. Zu seinen Hauptaufgaben gehören Training und Beratung von Führungskräften. Seine Erfahrungen bringt Alexander Häfner in Fachbücher ein, z.B. Gesunde Führung – Gesundheit, Motivation und Leistung fördern (2019).
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