Inhaltsübersicht
Autor
Bettina Meyer
Marie Sander
Karsten Schulte-Deußen
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Industrie und New Work? Auf den Ersten Blick mag es so aussehen, als ob sich diese zwei Dinge gegenseitig ausschließen. Es gibt nur eingeschränkte Homeoffice Möglichkeiten, es herrschen klare Hierarchien und sehr klar strukturierte Prozesse sind in der Regel notwendig, um eine hohe Qualität zu gewährleisten — Wo ist da Platz für New Work?
Doch bei genauerer Betrachtung merkt man: Ein Great Place to Work schafft diese Balance äußerst geschickt. Beispiele von sehr guten Arbeitgebern aus der Industrie zeigen, dass beim Thema New Work vor allem auf folgende Themen gesetzt werden:
Vorreiter in Sachen New Work setzen auch in der Produktion auf Strukturen, die die Eigenverantwortung in den Teams stärken, sodass diese möglichst selbstorganisiert handeln können. Schicht- und Urlaubsplanungen können so langfristig und gleichzeitig deutlich flexibler gestaltetet werden. Job Rotations schaffen Bewusstsein für ganzheitliche Prozesse und stärken die Zusammenarbeit über das eigene Team hinaus – gerade auch dort, wo White und Blue Collar Worker die Rollen tauschen oder man den eigenen Arbeitsplatz durch die Brille eines vor- oder nachgelagerten Prozesses in einem ganz neuen Blick sieht. Bei der Einführung von New Work Maßnahmen in der Produktion ist es sinnvoll auf sperrige Managementbegriffe zu verzichten und diese zielgruppengerecht anzupassen.
In anderen Bereichen der Organisationen etablierte Systeme, wie beispielsweise Performance und Development Management (PDM), lassen sich nämlich problemlos auch auf die Produktion übertragen. Dahinter verbergen sich individuelle und frei formulierbare Zielvereinbarungen. Diese werden im persönlichen Entwicklungsgespräch von Produktionsmitarbeitenden mit der direkten Führungskraft vereinbart. Führungskräfte sollten hier entsprechend geschult sein, um den konkreten Mehrwert für den Arbeitsalltag in einem weniger formellen Setting transportieren zu können. Durch umfassende und bereichsspezifische Informationsveranstaltungen und Initiativen der Führungskräfte konnte eine Organisation so bereits erreichen, dass ein großer Teil der Produktionsmitarbeitenden einen persönlichen Entwicklungsplan hat.
Auch beim Thema Meetings kann die Produktion einiges von der Verwaltung abschauen. So können beispielsweise kurze Daily Stand-Ups durchgeführt werden, um direkt auf Augenhöhe über Änderungen, Fragen oder Probleme zu sprechen. Mit Klebepunkten von allen Mitarbeitenden können beispielsweise Stimmungsbilder abgefragt werden oder mit der sogenannten “Talking Stick” Methode sichergestellt werden, dass jede*r zu Wort kommt und Ideen für Prozessverbesserungen oder sonstige Anmerkungen angebracht werden.
Im Rahmen der Produktionsumgebung erweist sich auch der Gemba Walk als äußerst wirkungsvolles Meetingformat. Bei einem Gemba Walk nehmen maximal fünf Personen für 60 Minuten teil. Zu dem ausgewählten Personenkreis gehören sowohl die direkten Führungskräfte aus der Produktion als auch Personen aus dem höheren Management. Zudem wirken Teammitglieder mit, welche praktische Einblicke in das unmittelbare Geschehen haben. Gemeinsam wird die Produktionsabteilung begangen und der Arbeitsprozess beobachtet. Innerhalb dieser Stunde können alle Teilnehmenden bis zu acht Fragen stellen. Dabei sind keine Einschränkungen gesetzt – sämtliche Fragen, die den Teilnehmenden während dieser Zeit in den Sinn kommen, sind erlaubt. Die Verantwortlichen, die während des Walks beobachtet werden, müssen nicht direkt antworten oder gar Rechenschaft ablegen. Stattdessen nehmen sie den Impuls aus den gestellten Fragen auf und nutzen ihn, um ihre eigene Arbeitsweise im Hinblick auf Effizienz zu überprüfen. Dieses Vorgehen resultiert regelmäßig in neuen Denkanstößen und äußerst interessanten Ideen. Zudem ermöglicht es den Managern und Führungskräften wertvolle Einblicke in den realistischen Arbeitsalltag auf dem Shopfloor zu bekommen.
Sehr gute Arbeitgeber nutzen die Ideen ihrer Produktionsmitarbeitenden – sie wissen oft am besten, wo es in der Produktion wirklich hakt. Um sicherzustellen, dass auch ihre Meinungen und Verbesserungsvorschläge gehört werden, sollten auf möglichst unkompliziert und nahbare Formate gesetzt werden.
In den meisten Unternehmen gibt es ein betriebliches Vorschlagswesen. Es hat sich gezeigt, dass dieses vor allem dann von Produktionsmitarbeitenden genutzt wird, wenn ein unkomplizierter Zugriff und Aufbau bestehen. Ein Beispiel dafür ist, dass über das Smartphone darauf zugegriffen werden kann – zum Beispiel per App. Für Mitarbeitende, die weder über ein Smartphone noch einen Arbeitslaptop verfügen, haben sich fest installierte Touchscreens in der Produktionshalle als Ergänzung zum altbekannten Ideenbriefkasten als wirkungsvoll herausgestellt. Wichtig dabei ist, dass die Eingabe des Vorschlags möglichst direkt funktioniert, beispielsweise durch eine Kategorie Auswahl. Fragen zum geschätzten Potential der Einsparung durch eine Idee wirken eher abschreckend. Wertschätzendes Feedback an die Ideengeber*innen ist in jedem Fall wichtig – auch bei Ideen, die vielleicht nicht unmittelbar umgesetzt werden können. Umgesetzte Ideen wiederum werden beispielsweise auf „Erfolgspostern“ gefeiert und geteilt. Zudem wird so für Transparenz gesorgt.
Eine radikal anmutende, aber sehr beliebte Praxis ist das Voten der „Worst Three“. Hier werden die drei „nervigsten“ Prozesse über eine Wahl von den Mitarbeitenden gekürt. Anschließend werden diese auch tatsächlich optimiert – wenn möglich sogar ganz abgeschafft.
In einem Great Place To Work zeigen Führungskräfte aller Ebenen den Mitarbeitenden regelmäßig, dass Ihnen der Austausch auf Augenhöhe wichtig ist. Sie bilden diverse Teams in Innovationsmeetings mit Vertreter*innen aus der Produktion und schaffen möglichst formlose Austauschformate FOR ALL, in denen etwaige Berührungsängste abgebaut werden können.
So könnte man sich wundern, was einmal im Quartal die auffällige Couch in der Produktionshalle zu suchen hat…? Diese wurde nicht etwa beim Umzug dort vergessen, sondern bildet den Treffpunkt für einen direkten Austausch mit der Geschäftsleitung. Noch lockerer geht es beim Format „auf ein Bierchen mit dem Chef“ zu: Die Geschäftsführung berichtet von Themen, die für die Belegschaft von Interesse sind. Positiver Effekt bei dieser Veranstaltung ist, dass sie in entspannter Atmosphäre stattfindet und die Mitarbeitenden in lockerer Runde jegliche, das Unternehmen betreffende Fragen stellen können. Dabei werden gemeinsam Grillgut und besagte Kaltgetränke genossen.
Spaß am Arbeitsplatz erhöht die Produktivität und stärkt den Teamgeist. Deswegen sollten Kicker-Tisch und spielerisch verdiente Belohnungen keinesfalls nur in großstädtischen Büros von IT Start-Ups zu finden sein.
Beispielsweise können sich Mitarbeitende durch die Erreichung Ihrer Individual- und Teamziele wertvolle Freizeit in Form eines frühen Feierabends oder flexiblen Urlaubstagen erspielen. In einem Modell eines Radherstellers dürfen alle Mitarbeitenden der Produktion nach Hause gehen, sobald das vorgegebene Wochenziel einer bestimmten Anzahl produzierter Fahrräder zu einer bestimmten Qualität in einem vorher festgelegten Zeitraum erreicht ist. Hier wird besonders gern in Arbeitswochen vor Feiertagen und Weihnachten gespielt, da hier zusätzliche Freizeit bei den Mitarbeitenden ganz besonders willkommen ist.
Auch die Erreichung von qualitativen Zielen wird belohnt – zum Beispiel im Qualitätsbingo: Hier erhalten die teilnehmenden Teams besondere Qualitätsziele, die in einer 4×4 Matrix für den jeweiligen Arbeitstag festgehalten sind. Das Team, das die Qualitätsziele für eine Zeile, eine Spalte bzw. für die gesamte Matrix erreicht, erhält dafür ein vorab festgelegtes Incentive – wie beispielsweise T-Shirts für das Team.
Hier können Organisationen kreativ werden. Sie sollten herausfinden, was den Mitarbeitenden Spaß macht und wie sie ihnen am besten eine Freude bereiten können. Für mehr Anregungen rund um das Thema Gamification werfen Sie auch einen Blick in unseren “Great Place to Work- der Report 2023” um mehr über Best Practices im Bereich Gamification zu erfahren.
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