Unser Buchtipp: Wertschätzung in Organisationen fördern

Zwei Hände und 1 rotes Herz

Inhaltsübersicht

Autor

Karsten Schulte-Deußen

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Im Buch von Alexander Häfner, Leiter der Personalentwicklung der Würth Industrie Services, und der Psychologischen Psychotherapeutin Julia Hartmann-Pinneker geben die Autoren konkrete Hinweise, wie Wertschätzung in Organisationen gefördert werden kann. Basierend auf Best Practice Beispielen aus der Great Place to Work® Welt wird die große Bedeutung von Wertschätzung für eine sehr gute Arbeitsplatzkultur verdeutlicht. In unserem Gespräch mit Alexander Häfner diskutieren wir über die wichtigsten Erkenntnisse.

Herr Häfner, warum haben Sie sich gerade das Thema Wertschätzung vorgenommen?

Bei der Arbeit gibt es viele, viele Situationen, in denen Wertschätzung oder Abwertung eine Rolle spielt: Eine Expertin ärgert sich darüber, dass sie von Führungskräften bei einem ihrer Fachthemen nicht zu Rate gezogen wird. Ein hoch engagierter Mitarbeiter ist tief enttäuscht, weil eine Kollegin befördert wird und nicht er. Mitarbeitende kündigen, weil sie sich von ihrer Führungskraft schlecht behandelt fühlen. Es gibt viele solcher Beispiele mehr, bei denen der Selbstwert mit ins Spiel kommt. Wir alle wollen unseren Selbstwert schützen und erweitern. Der Wunsch nach Wertschätzung ist ein universelles menschliches Bedürfnis. Mit diesem Bedürfnis müssen wir uns als Praktiker in Unternehmen noch mehr beschäftigen.

Die Daten von Great Place to Work® zeigen auch, dass Wertschätzung sehr wichtig ist, damit Mitarbeitende eine insgesamt sehr gute Arbeitsplatzkultur erleben. Dabei geht es sowohl um Anerkennung für gute Arbeitsleistung wie auch um Interesse für Mitarbeitende als Person und nicht nur als Arbeitskraft. Worauf kommt es aus Ihrer Sicht bei diesem Thema besonders an?

Der Kern der Sache ist sicherlich das Interesse an den Mitarbeitenden. Fühlen sich die Mitarbeitenden ernsthaft wahrgenommen? Werden sie als einzigartige Persönlichkeiten mit ihren individuellen Stärken, mit ihren Sorgen und Anliegen gesehen? Wir mit ihren Anliegen konstruktiv umgegangen? Werden ihre Talente sinnvoll genutzt? Vieles baut auf diesem grundlegenden Interesse am Gegenüber auf. Echte Wertschätzung geht nicht ohne echtes Interesse am Gegenüber. Wenn Verantwortliche sich stark interessieren und mit dem Gehörten wertvoll umgehen, dann ist viel gewonnen. Es ist auch wichtig nicht nur auf einen Punkt zu schauen, zum Beispiel auf die sozialen Interaktionen. Wertschätzung wird nicht nur in sozialen Interaktionen vermittelt, sondern auch durch die übertragenen Arbeitsaufgaben, durch Arbeitsbedingungen und organisationale Rahmenbedingungen. Noch ein Beispiel: Wenn Unternehmen ihren Mitarbeitenden kostenlose Getränke und Obstkörbe zur Verfügung stellen, dann geht es in der Wirkung weniger um den tatsächlichen Warenwert, sondern um das Signal dahinter. Klar ist, dass dieses Signal nur dann ankommt, wenn es zu den anderen Botschaften passt, die gesendet werden. Ohne eine wertschätzende Unternehmenskultur dürften Wasser und Obstkörbe eher negative Effekte haben, weil Mitarbeitende in diesem Fall eher sarkastisch und zynisch reagieren dürften: „So, jetzt bekommen wir also einen Obstkorb. Was soll das denn? Was wir denken und wollen interessiert die da oben doch gar nicht. Und jetzt bekommen wir dieses Trostpflaster aufgeklebt. Das ist doch lächerlich.“ Die Förderung von Wertschätzung ist Kulturarbeit und muss an vielen Stellen ansetzen.

Im klassischen Verständnis ist Wertschätzung ein Top Down Prozess nach dem Motto „Führungskraft lobt Mitarbeitende“. Wir sehen, dass sehr gute Arbeitgeber aber auch Peer-to-Peer Formate für Wertschätzung einführen. Wie stehen Sie zu diesem Thema?

Aus der Forschung lässt sich ableiten, dass die Kolleginnen und Kollegen für das Erleben von Wertschätzung mindestens so wichtig sind wie die Führungskräfte. Wer sich von seinen Kolleginnen und Kollegen ausgeschlossen fühlt schläft schlechter. Wer sich von seinen Kolleginnen und Kollegen immer wieder abgewertet fühlt entwickelt mit hoher Wahrscheinlichkeit psychische und physische Beschwerden. Umgekehrt können wertschätzende Kolleginnen und Kollegen eine ganz wichtige soziale Ressource sein und sogar negative Effekte abwertender Führung abpuffern. Deshalb ist es sehr wichtig, dass Unternehmen sich um ein gutes Teamklima bemühen. Bedanken sich Kolleginnen und Kollegen für geleistete Arbeit untereinander? Unterstützen sich Kolleginnen und Kollegen gegenseitig? Geben sich Kolleginnen und Kollegen untereinander wertschätzend, konstruktiv Feedback? Gibt es neben Ratgebernetzwerken auch Freundschaftsnetzwerke? Es lohnt sich, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen.

Sie stellen in Ihrem Buch zahlreiche Best Practices rund um das Thema Wertschätzung vor. Was macht aus Ihrer Sicht gute Maßnahmen in diesem Bereich aus? Und gibt es hier vielleicht auch Abnutzungseffekte? Die jährliche Veranstaltung zur Würdigung von Jubiläen ist vielleicht nicht sonderlich originell, aber dennoch sehr wirksam – vor allem wenn man Überlegungen hat, ein solches Format einzustellen.

Grundsätzlich geht es nicht um Einzelmaßnahmen, sondern darum eine Kultur der Wertschätzung zu entwickeln und zu pflegen. Das berührt nahezu alle Bereiche des Personalmanagements: den Umgang mit Bewerbenden, die Ausbildung der Führungskräfte, die Gestaltung des Vergütungssystems, Karriereentscheidungen, das betriebliche Gesundheitsmanagement, die Umsetzung von Veränderungen etc. Bei all diesen Themen muss Wertschätzung mitgedacht werden. Aus meiner Sicht sind Aspekte der Führungskräfteausbildung, der Teamentwicklung oder die faire Gestaltung von Entwicklungswegen für das Thema Wertschätzung wichtiger als beispielsweise die Einführung von kostenlosem Obst. Ich würde zunächst solche Themen analysieren und verbessern.

Ein Incentive wieder wegnehmen würde ich nur dann, wenn es wirklich nicht mehr geht. Auch Kolleginnen und Kollegen, die das Incentive gar nicht genutzt haben, können die Abschaffung als negatives Signal wahrnehmen. Wenn Sie beispielsweise Obstkörbe wieder abschaffen, kann es sein, dass Kolleginnen und Kollegen diesen Schritt negativ wahrnehmen, obwohl sie das Obst nicht genutzt haben.

Da wir jeden Tag unseren Selbstwert schützen und erweitern wollen, halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass in der Praxis ein zu viel an Wertschätzung tatsächlich vorkommen kann. Ich will es nicht ausschließen halte es aber für sehr unwahrscheinlich.

In Workshops mit Mitarbeitenden vor allem in gewerblichen Bereichen bekommen wir manchmal die Antwort: „Ich habe schon den Keller voll mit Lob.“ Das soll dann heißen, dass man sich von freundlichen Worten nichts kaufen kann. Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen Bezahlung und Wertschätzung - vor allem bei Mitarbeitenden, die ein unterdurchschnittliches Einkommen beziehen?

Ein gutes Gehalt ist auch ein Zeichen von Wertschätzung. Gehalt hat nicht nur eine rein materielle Funktion, sondern vermittelt auch ein Signal der Wertigkeit. Gehalt ist also eine wichtige Wertschätzungskomponente. Wer sich unfair bezahlt fühlt wird das als abwertend wahrnehmen. Neben dem Gehalt liegen allerdings immer auch noch andere Sachen in der Waagschale: Wie ist die Arbeitsbelastung? Gibt es eine Kantine mit günstigen Preisen? Bekomme ich Überstunden ausbezahlt oder kann ich sie abfeiern? Wie sicher ist mein Arbeitsplatz? Wie geht meine Führungskraft mit mir um? Wie komme ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen zurecht? Stellt die Firma einen Pendlerbus? Solche Aspekte können ein unterdurchschnittliches Einkommen zumindest teilweise kompensieren. Es wäre sicher falsch anzunehmen, dass es im gewerblichen Bereich nur um ein höheres Gehalt geht und die anderen Punkte unwichtig seien. Mit Blick auf den demografischen Wandel werden Unternehmen immer mehr alle Tasten des Klaviers spielen müssen: Vom Gehalt über wertschätzende Führung bis hin zu den Arbeitsbedingungen am Arbeitsplatz.

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