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Autor
Isha Pandit
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Denken und fühlen alle Menschen gleich? Nein, die Neurowissenschaften haben gezeigt, dass es keine „richtige“ Art zu denken, zu lernen und sich zu verhalten gibt. Diese neurologische Vielfalt wird als „Neurodiversität“ bezeichnet – ein Begriff, der von der australischen Soziologin Judy Singer geprägt wurde. Neurodiversität geht davon aus, dass jedes Gehirn anders ist und dass es nicht nur einen neurobiologischen Bauplan gibt, sondern viele verschiedene. Daraus lässt sich ableiten, dass so genannte psychische Störungen wie Autismus, AD(H)S, Dyslexie, Legasthenie nur neurologische Varianten sind.
Neurodiversität umfasst alle Variationen der Gehirnfunktionen über verschiedene neurologische Gruppen von Menschen hinweg. Das bedeutet, dass der Begriff sowohl neurotypische als auch neurodivergente Menschen umfasst.
Das Wort “neurotypisch” bedeutet “neurologisch typisch”, d.h. der neurologischen und medizinischen Norm entsprechend. Der Begriff wurde in der autistischen Gemeinschaft geprägt und bezieht sich auf Menschen ohne Autismus. Er wird verwendet, um eine Person zu beschreiben, deren neurologische Entwicklung und Zustand den Kriterien entspricht, die die meisten Menschen als „normal“ ansehen würden. Dabei ist zu beachten, dass „neurotypisch“ ein fragwürdiger Begriff ist, da es niemanden gibt, der wirklich als neurotypisch bezeichnet werden kann. Es gibt keine solche Norm für das menschliche Gehirn.
Der Begriff „neurodivergent“ wird definiert als eine Abweichung der mentalen oder neurologischen Funktion von dem, was als typisch angesehen wird. Zu den anerkannten Formen der Neurodivergenz gehören Autismus, Asperger-Syndrom, Legasthenie, Dyskalkulie, Epilepsie, Hyperlexie, Dyspraxie, AD(H)S, Zwangsstörung (OCD) und Tourette-Syndrom (TS). Das Adjektiv „neurodivers“ wird typischerweise verwendet, um neurodiverse Menschen zu beschreiben. Laut Nancy Doyle, Organisationspsychologin und Gründerin von „Genius Within“, einem Unternehmen, das sich auf Neurodiversität und Inklusion von neurodiversen Menschen am Arbeitsplatz spezialisiert hat, sind zwischen 15 und 20 Prozent der Weltbevölkerung neurodivers.
Es ist ein weit verbreitetes Missverständnis, dass Menschen mit neurodiversen Merkmalen entweder geistig behindert und damit stark eingeschränkt oder aber wahre „Supergenies“ sind. Tatsächlich ist es aber so, dass neurotypische Merkmale über ein breites Spektrum verteilt sind, in dem diese beiden Beispiele zwar vorkommen, sich aber jeweils an den entgegengesetzten Enden des Spektrums befinden. Die meisten neurodiversen Menschen sind daher auf den ersten Blick nicht als solche zu erkennen.
Lernen und Informationsverarbeitung funktionieren bei neurodiversen Menschen einfach anders als bei den meisten Menschen. Schwierigkeiten treten vor allem dann auf, wenn sie sich wie neurotypische Menschen verhalten sollen. Da ihr Gehirn anders „verdrahtet“ ist als das von neurotypischen Menschen, haben sie oft Schwierigkeiten, organisiert zu bleiben oder vorgegebenen Strukturen zu folgen. Sie sind auch anfällig für Reizüberflutung und können Probleme mit der Bewältigung von Arbeitsbelastungen haben. Es ist auch möglich, dass sie Schwierigkeiten haben, die Kommunikationsmuster neurotypischer Menschen zu verwenden und zu verstehen. Beispielsweise haben Menschen mit Autismus häufig Schwierigkeiten, nonverbale Kommunikation, Blickkontakt, Gestik und Mimik sowie den Aufbau und das Verständnis von Beziehungen im Arbeitskontext zu verstehen. Dies kann dazu führen, dass sie ihren Vorgesetzten und ihrem Team in ihrer direkten Art und Weise weniger Respekt entgegenbringen, was sich auch auf die Teamarbeit auswirken kann. Bei Menschen mit AD(H)S kann es vorkommen, dass sie nicht auf Details achten oder Flüchtigkeitsfehler machen (z. B. sich verzetteln). Je nach Wichtigkeit der Aufgabe können diese Eigenschaften zu kleineren oder größeren Problemen am Arbeitsplatz und für die Arbeit führen. Wenn Projekte sehr kurze Fristen haben oder Dokumente schnell überprüft werden müssen, kann es für Menschen mit Dyslexie schwierig sein, diese Fristen einzuhalten.
Betrachtet man jedoch die unterschiedlichen Fähigkeiten neurodiverser Menschen genauer, so zeigt sich, dass neurodiverse Mitarbeitende aufgrund ihrer Einzigartigkeit nicht nur eine Bereicherung für den Arbeitsplatz, sondern auch einen nachweisbaren Wettbewerbsvorteil darstellen können, wenn sie am richtigen Arbeitsplatz und in der richtigen Funktion eingesetzt werden. Untersuchungen zeigen beispielsweise, dass autistische Mitarbeitende über eine überdurchschnittliche Fähigkeit verfügen, große Informationsmengen schnell zu verarbeiten und zentrale Inhalte zu identifizieren. Zudem sind autistische Menschen produktiver und machen laut Studien weniger Fehler als neurotypische Menschen. Viele der AD(H)S-Symptome wie Kreativität, Risikobereitschaft, hohe Energie und der Wunsch nach Multitasking können zu wichtigen Stärken werden. Einige der erfolgreichsten UnternehmerInnen der Welt haben AD(H)S und haben ihre sogenannten „anderen“ Eigenschaften positiv genutzt. Der AD(H)S-Unternehmer Richard Branson, CEO der Virgin Group, sagt: „Ich betrachte meine Krankheit als Geschenk und nicht als Behinderung. Es hat mir geholfen, die Kunst des Delegierens zu erlernen, meine Fähigkeiten zu fokussieren und mit unglaublichen Menschen zusammenzuarbeiten. Nicht zuletzt bringen Menschen mit neurologischen Beeinträchtigungen innovative und neuartige Problemlösungen in ihre Teams und Organisationen ein.
Was das Arbeitsleben von Menschen mit Neurosen erschweren kann, sind Voreingenommenheit und Vorurteile am Arbeitsplatz, die zu Diskriminierung führen können. Aus Angst davor sprechen viele Betroffene am Arbeitsplatz nicht über ihre Neurodiversität.
Neurodiverse Menschen erleben in ihrer Biografie häufig Ausgrenzung und erlernen im Laufe ihres Lebens Strategien, um nach außen möglichst „normal“ zu erscheinen. Aufgrund der Vorurteile gegenüber neurodiversen Menschen fühlen sich viele neurodiverse Mitarbeitende insbesondere im Arbeitskontext gezwungen, sich zu maskieren, um mit ausgrenzenden und unzugänglichen Arbeitsplätzen umzugehen. Im Rahmen dieser Maskierung verbergen oder unterdrücken diese Mitarbeitenden ihre neurodiversen Merkmale, um sich den Normen des Arbeitsplatzes anzupassen – oft unter Aufwendung extremer Energie.
Ein Great Place to Work sollte neurodiversen Fachkräften einen Raum bieten, in dem sie sich nicht mehr verstecken müssen, sondern akzeptiert und respektiert werden und ihre Fähigkeiten anerkannt und gefördert werden. Ein vertrauensvolles Umfeld, in dem Diversität als Ressource geschätzt wird, kommt sicherlich allen Mitarbeitenden zugute und bildet die Grundlage dafür, dass insbesondere neurodiverse Mitarbeitende den Mut finden, sich als solche zu erkennen zu geben. Gemeinsam mit den Führungskräften können so individuelle Schwächen thematisiert und eingeordnet und besondere Stärken noch besser zum Wohle des Teams und der Organisation genutzt werden.
Wie unterstützen Great Workplaces ihre neurodiversen Mitarbeitenden bei der Integration am Arbeitsplatz und im Team?
Es ist daher sehr wichtig, dass Führungskräfte, die in der Regel diverse und neurodiverse Teams leiten, sich mit den unterschiedlichen emotionalen Sprachen der diversen Teams auseinandersetzen und somit offen für unterschiedliche Kommunikationsmuster sind. Bei der Arbeit mit neurodiversen Menschen ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass ihre Unterschiede und Kommunikationsmuster nicht auf bestimmte Charakterfehler oder Schwächen zurückzuführen sind, und sich von Urteilen und Überzeugungen zu befreien, dass eine bestimmte Art der Kommunikation die richtige ist. So ist z.B. das Vermeiden von Blickkontakt oder das Unterbrechen der Kollegin mit einem plötzlichen Gedankenblitz nicht auf mangelnden Respekt ihr gegenüber zurückzuführen, sondern für eine neurodiverse Person ein Zeichen für einen wirklich interessierten Austausch.
Auch die Arbeitsausrüstung neurodiverser Menschen ist zu berücksichtigen. Sensorische Empfindlichkeiten sind bei neurodiversen Menschen häufig. Es ist wichtig, kleine Anpassungen an der Büroumgebung vorzunehmen, um einen sensorfreundlichen Arbeitsplatz zu schaffen. Die Verwendung von gedämpftem Licht, die Bereitstellung von Kopfhörern mit Geräuschunterdrückung und die Bereitstellung von ausgewiesenen Ruhezonen für konzentriertes Arbeiten erleichtern neurodiversen Teammitgliedern die Arbeit. Darüber hinaus können sensorfreundliche Räume dazu beitragen, Stress abzubauen und das Risiko einer Reizüberflutung zu verringern.
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